Bericht
Frauen, Rollen Vorbilder!
Veranstaltung mit Astrid Landero

Posted by on Mai 11, 2021 in Allgemein

Am 26. April hat der Landesfrauenrat seine Reihe „Frauen, Rollen, Vorbilder − erfolgreiche neue weibliche Karrieren!“ fortgesetzt und mit Astrid Landero eine engagierte Kämpferin und Netzwerkerin in Frauenpolitik und -initiativen in Berlin eingeladen.

Die Preisträgerin des diesjährigen Berliner Frauenpreises war langjährige Projektleiterin des Frauenzentrums Paula Panke e.V. Sie ist vielen der im Videochat anwesenden Frauen schon einmal auf einer ihrer unterschiedlichen Lebensstationen begegnet und begrüßt viele persönlich.

Astrid Landero hat eine spannende und vielfältige Biografie und wird vom Vorstandsmitglied Joanna Czapska nach den prägenden Momenten ihres Lebens gefragt.

Dazu gehört für Astrid Landero ihre Herkunft aus der Thüringischen Kleinstadt Meiningen, vor allem die Enge der Kleinstadt. Sie wollte früh raus in die Welt, eckte mit ihrer “großen Klappe” an. Dazu kam ihre Faszination für die Protestbewegungen im Westen − die Studierendenproteste, die Black Panther-Bewegung und die westdeutsche Frauenbewegung, deren Bedeutung für ihre persönliche Entwicklung sie immer wieder betont. Da wurden Wortmeldungen von ihr in der Schule auch schon mal mit “Unsere Alice Schwarzer meldet sich” kommentiert. Besonders prägend war für sie das Jahr 1968 − sowohl aufgrund der politischen Kämpfe und Aktionen im Westen als auch aufgrund der Niederschlagung des Prager Frühlings in der Tschechoslowakei und die enttäuschte Hoffnung auf einen demokratischen Sozialismus.

Während in der Kleinstadt Enge herrschte, wurde sie in der Familie ermutigt, ihren Weg zu gehen und etwas aus sich zu machen. Eine ihrer Großmütter gab ihr den Satz “Geh nach Berlin, studiere, heirate nie” mit auf den Weg.

Auf die Frage, wie sie Feministin geworden sei, antwortet Landero, dass sie mit dem Begriff in ihrer Jugend nichts anfangen konnte. Sie ist die feministische Bewegung reingerutscht durch alles, was sie gedacht und gefühlt hat. Sie hat erst spät realisiert, dass sie Feministin ist. Wichtig ist für sie, dass es im Feminismus keine Grenze zwischen privat und öffentlich gibt. Feminismus ist Herrschaftskritik und zieht immer die bestehenden Kräfte in Zweifel.

Astrid Landero ist vergangenes Jahr in Rente gegangen. Auf die Frage hin, was ihre Pläne und Ziele für diese neue Lebensphase sind, muss sie nicht lange überlegen. Für sie liegt der Handlungsbedarf auf der Hand: die Auswirkungen der Pandemie auf die Gleichstellungsfrage. Sie ist überzeugt, dass eine enorme politische Herausforderung vor uns liegt und viele Dinge neu definiert werden müssen. “Dass wir schauen, was die Pandemie mit unserem Leben gemacht hat, wenn wir Ruhe haben und nicht mehr von der Pandemie gejagt werden.”

Aber Rente heißt für Astrid Landero nicht, sich zur Ruhe zu setzen und die Jungen machen zu lassen. Sie will politisch engagiert bleiben. Ihr Kampf im Bündnis gegen Rechts ist die nächste Herausforderung, in die sie ihre Kraft stecken will: Sie kandidiert für die Partei Die Linke für die BVV in Pankow, obwohl sie keine Illusionen darüber hat, was bei der Arbeit in solchen Strukturen auf sie zukommt und ihre erste Reaktion ”Nee, hör uff” war, als sie gefragt wurde, ob sie kandidiert. Eine ihrer Lebensstationen war als Mitarbeiterin einer Linken-Abgeordneten im Bundestag, aus der sie die Erkenntnis mitgenommen hat, dass ihr die Geduld und das “Sitzfleisch” für langjährige parlamentarische Prozesse fehlen.

Astrid Landero ist Netzwerkerin und damit ein Mensch, der verbindet. So hat sie die Patenschaft für einen in Gründung befindlichen Verein für feministische Bildung übernommen und hat über ihre Arbeit bei Paula Panke Kooperationen mit Aktivistinnen aus Polen und Kasachstan gestartet.

Ihr liegt am Herzen, dass sich Frauen auf europäischer Ebene organisieren. Gerade die aktuelle Entwicklung in ihrem “Herzensland” Polen schmerzt Landero, wenn sie an das liberale Polen ihrer Jugend denkt. Und sie mahnt, dass Polen nicht weit weg von uns ist − geographisch wie politisch: “Wir sind nicht davor gefeit, dass so eine konservative Entwicklung auch bei uns passiert.”

Es gibt viele Themen, die an diesem Abend angesprochen werden. Eins davon ist die Forderung nach einer feministischen Außenpolitik und dem Engagement von Frauen gegen Aufrüstung. Für Astrid Landero ist dabei aus dem Fokus geraten, dass sich in der Stille neue Konflikte mit hohem Gefährdungspotential vorbereiten. Die Welt braucht eine globale Initiative, die Rüstungsausgaben mindestens einzufrieren. Sie sieht große Themen für die Zukunft, die durch die Krise beschleunigt werden.

Auf den Einwurf, dass die Welt trotz Frauen an der Macht noch nie so männlich war wie jetzt, antwortet Astrid Landero, dass sie hofft, dass wir in den aktuellen politischen Strömungen die letzten Zuckungen des Patriarchats sehen: das angeschossene Tier, das brüllend durch die Gegend rennt, bevor es alle Viere von sich streckt. Aber sie vergisst nicht, daran zu erinnern, dass das Patriarchat auch in uns Frauen steckt.

Bericht von Denise Schöwing